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Laufbücher: Spezialgebiete


Hal Higdon:
Schneller werden

Spätestens wenn man nach dem ersten Wettkampf „Blut geleckt hat“, muss der Titel des Buches elektrisieren: Natürlich möchte ich schneller werden! Ob das Buch dabei helfen kann? Schaunmermal:

Zunächst einmal unterscheidet sich Higdons Schreibstil deutlich vom Oberlehrer-Tonfall der meisten deutschen Autoren. Alles wirkt etwas lockerer. Ein großer Teil des Buches besteht aus Zitaten von Trainern und Läufern sowie Anekdoten aus Higdons Läuferkarriere.

Das Buch behandelt in jedem Kapitel eine Trainingsform: Intervalle, Wiederholungen, Tempodauerlauf, Fahrtspiel, Bergtraining, Krafttraining, Haltung und Laufstil, Lauf-ABC und einiges mehr. Dabei wird nicht eine Trainingsmethode besonders herausgehoben. Im Gegenteil, es werden durchaus konträre Trainingsphilosophien vorgestellt. In einem Kapitel werden zum Beispiel lange, aerobe Läufe nach der Methode von Arthur Lydiard propagiert, in einem anderen Kapitel hingegen die Vorzüge des Intervalltrainings nach den Theorien Waldemar Gerschlers.

Obwohl das Buch ein Kapitel für Laufeinsteiger enthält, würde ich es eher Läufern mit etwas Erfahrung empfehlen. Ich zumindest hatte anfangs große Probleme mit dem Laufen „nach Gefühl“. Wenn im Trainingsplan steht „Laufe am Montag x Kilometer in y Minuten“ dann mache ich das einfach. Um hingegen aus einer umfangreichen Sammlung von Trainingsmethoden den eigenen Trainingsplan zu basteln, benötigt man eine gewisse Erfahrung, die sich erst mit der Zeit entwickelt.

Wer Patentrezepte oder bis ins Detail ausgearbeitete Trainingspläne sucht, wird in „Schneller werden“ wenig finden. Wer aber neue Anregungen für das Lauftraining sucht, bekommt Informationen in Hülle und Fülle. Und neben dem praktischen Nutzen ist das Buch mit vielen Geschichten und Anekdoten einfach eine äußerst unterhaltsame Lektüre.


David E. Martin, Peter N. Coe:
Mittel- und Langstreckentraining

Coe, Coe, - da war doch was...? Richtig, Sebastian Coe war der erfolgreiche Mittelstreckler und Peter N. Coe sein Vater und Trainer.

Die deutsche Ausgabe ist (derzeit?) leider nicht mehr erhältlich. Mein Exemplar habe ich bei Ebay ergattert. Die englische Originalausgabe (bzw. deren Nachfolgeversion) „Better Training for Distance Runners“ kann man z.B. direkt bei Amazon bekommen.

Im Gegensatz zu den meisten hier vorgestellten Büchern ist dieses weniger für den Hobbysportler als vielmehr für den Leistungssportler bzw. seinen Trainer gedacht. Allerdings finde auch ich als Freizeitläufer die sportwissenschaftlichen Grundlagen äußerst interessant.

Das Buch enthält sowohl sportwissenschaftliche Grundlagen als auch Beispiele aus der Praxis. Diese sind - wenig überraschend - hauptsächlich dem Training Sebastian Coes entnommen.

Die Fülle an Informationen kann den Leser beim ersten Durchblättern fast erschlagen. Biomechanische und biochemische Aspekte des Laufens werden detailliert erläutert. Den Funktionen von Herz, Lunge und Blut unter Belastung sowie deren Messung ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Ein umfassendes Krafttraining wird empfohlen und von den Grundlagen des Krafttrainings bis zu konkreten Übungen mit vielen Fotos vorgestellt. Auch zu Belastungsbewältigung, Ermüdung und Übertraining ist ein Kapitel vorhanden.

Wettkampfvorbereitung und Wettkampfstrategien werden für die Distanzen 800m, 1500m, 5000m, 10000m und Marathon gesondert behandelt. Auch hier zeigt sich der leistungsorientierte Ansatz; der Spurt um den Sieg ist ganz selbstverständlich Bestandteil der Rennstrategie.

Das Trainingskonzept ist ein zentraler Bestandteil des Buches. Martin und Coe nennen ihr Konzept Multi-Stufen-Training und Multi-Geschwindigkeitstraining. Im Gegensatz zu manch anderem Konzept empfehlen sie zu jeder Trainingsphase ein breites Spektrum von Geschwindigkeiten zu trainieren, also nicht zunächst nur langsame, aerobe Läufe und später konzentriertes Tempotraining, wie häufig empfohlen. Lediglich die Schwerpunkte des Trainings werden im Laufe der Periodisierung auf den einzelnen Stufen verschoben. Dieses Konzept wurde oder wird in der Fachwelt durchaus kontrovers diskutiert. Vor einiger Zeit hatte ich dazu ein sehr interessantes Interview mit Peter Coe und Frank Horwill im Internet gefunden. Als ich jetzt in dieser Rezension einen Link darauf setzen wollte, war der Artikel leider verschwunden. Falls jemand das Dokument wieder gefunden hat, wäre ich für einen entsprechenden Hinweis dankbar.

Als Hobbyläufer sollte man natürlich nicht unbedingt die Trainingsempfehlungen buchstabengetreu umsetzen. Hier wird die Vorbereitung von Leistungssportlern beschrieben und es geht um das Bestehen in der Weltklasse. Trotzdem gibt es interessante Anregungen und die sportmedizinischen Grundlagen gelten natürlich nicht nur im Spitzensport.


Holle Bartosch:
Tempotraining: Für 10-Kilometer, Halbmarathon- und Marathon-Läufer

„Endlich ein Buch zum Thema Tempotraining!“ war meine erste Reaktion beim Anblick dieses Buches, hat doch die deutschsprachige Laufliteratur zu diesem Thema reichlich wenig zu bieten. Genau genommen fällt mir spontan nur Hal Higdons bereits etwas betagtes (und derzeit vergriffenes) Werk „Schneller werden“ ein. Nach bedenklich kurzer Lektüre folgte allerdings die Ernüchterung, hatte ich doch bereits das Ende des Büchleins erreicht. Erster Eindruck: Ich habe nicht viel mehr als viele Fotos von schönen Menschen gesehen, welche über malerische Blümchenwiesen dahin gleiten.

Um dieses unbestimmte Gefühl mit Fakten zu untermauern, habe ich dann eine kleine Statistik gemacht: Nominal hat das Buch 120 Seiten, davon gehen an Anfang und Ende insgesamt 7 Seiten für Impressum und Werbung ab. 16 ganzseitige und 13 halbseitige Fotos zeigen einfach nur entspannte Läuferinnen und Läufer in schöner Landschaft, ohne direkten Bezug zum Text. Die großzügig bebilderten Anleitungen für Dehnungs- und Kräftigungsübungen habe ich dabei ausdrücklich nicht mitgezählt. Weiterhin gibt es 8 Seiten, welche jeweils nur aus einer Kapitelüberschrift bestehen. Somit entfällt beinahe ein Drittel des ohnehin nicht gerade umfangreichen Büchleins auf schmückendes Beiwerk.

Vom verbliebenen Rest befasst sich nur ein geringer Teil mit dem eigentlichen Tempotraining. Es gibt ausführliche Kapitel zu Grundlagen, Laufstil, Lauf-ABC, Trainingsplanung, Dehnen und Krafttraining. Das ist alles nicht falsch, aber ich hätte mir doch deutlich mehr handfeste Informationen zum Titelthema und den zugehörigen Fragen „wie schnell“ und „wie weit“ gewünscht. Stattdessen gibt es stetig wiederkehrende Motivationshilfen, deren Grundtenor besagt, dass Tempotraining überhaupt nicht hart und anstrengend sein soll, dafür aber viel Spaß macht.

Bei dem verschwenderischen Umgang mit dem vorhandenen Platz ist es umso erstaunlicher, das die enthaltenen 27-Wochen-Trainingspläne dann jeweils auf eine einzige Doppelseite gequetscht werden, was so manchen Altersklasse-Läufer zur Sehhilfe greifen lassen wird. Im Gegensatz zu dem durch Text und Aufmachung suggerierten Wellnessfeeling haben es diese Pläne aber in sich. Bereits der leichtere der 10km-Trainingspläne umfasst 4-5 Trainingseinheiten pro Woche, mit 6 Wettkämpfen innerhalb von 13 Wochen (davon 3 in direkt aufeinanderfolgenden Wochen). Folgerichtig ist der Marathon-Trainingsplan für Läufer, welche sich „mit möglichst wenig Zeitaufwand vorbereiten wollen“, bereits mit 5-6 Einheiten pro Woche bestückt. Für ambitioniertere Athleten gibt es dann natürlich jeweils noch eine verschärfte Variante ...

Von pauschalen Gesamturteilen wie „gut“ oder „schlecht“ halte ich nicht viel; lieber versuche ich, die geeignete Zielgruppe eines Laufbuchs zu beschreiben. Das fällt mir in diesem Fall nicht leicht, da erfahrene Läufer zumindest zum Thema Tempotraining vermutlich nicht viel Neues erfahren werden und Einsteiger, abgesehen von den Trainingsplänen, wenig konkrete Informationen bekommen (durch die Trainingspläne aber vermutlich eher abgeschreckt werden dürften). Versuche ich es also einmal so: Vielleicht lässt sich der ein oder andere Genussläufer durch die Motivationseinheiten in diesem Buch dazu verleiten, es auch einmal mit etwas Tempotraining zu versuchen. Hoffentlich bleibt er auch dann am Ball, wenn es sich nicht immer so locker und leicht wie beschrieben anfühlt - der Lohn winkt spätestens beim Überschreiten der nächsten Ziellinie.


Matthias Marquardt:
77 Dinge, die ein Läufer wissen muss

Im Gegensatz zu Marquardts „Laufbibel“ ist dieses Buch kein vollständiges Laufbuch, sondern eine Sammlung von Fakten, welche jeweils in einem kurzen Abschnitt abgehandelt werden. Dabei räumt der Autor insbesondere mit verbreiteten Irrtümern auf, welche sich seit Jahren in Laufszene, Laufliteratur und Lifestyle-Presse breitgemacht haben. Dabei darf natürlich der Klassiker „Runners High“ nicht fehlen; es gibt aber auch weniger bekannte Themen, z.B. warum ein gut trainierter Läufer beim Joggen möglicherweise mehr schwitzt, als sein untrainierter Kollege.

Die Fakten sind grob sortiert nach Themenbereichen wie Training, Ernährung, Marathon und Gesundheit. Dazu gibt es häufig noch einen Absatz mit konkreten Tipps, wie die Erkenntnisse zu nutzen sind.

Wer sich stets über die aktuellsten Erkenntnisse der Sportwissenschaft auf dem Laufenden hält, wird nicht viel Überraschendes erfahren. Selbst in diesem Fall findet man aber für manche Vermutung oder eigene Schlussfolgerung endlich die Bestätigung und eine ordentliche Begründung. Wer sich in Sachen „Laufen“ hingegen weniger intensiv mit der Theorie beschäftigt, seine Informationen überwiegend der Lifestyle-Presse entnimmt oder im Lauftreff nur mit alten Hasen der „Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht“-Fraktion umgeben ist, könnte bei der Lektüre einige Überraschungen erleben und so manches gut gepflegte Vorurteil begraben müssen. Insgesamt sind die 77 Tipps eine gute Ergänzung zu einem klassischen Standard-Laufbuch, um sich auf den aktuellen Stand zu bringen.