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Still got the BluesHamburg-Marathon 2008
Auf der Reeperbahn morgens um Neun ... Auf diesen Marathon habe ich mich mit großem Aufwand und noch größeren Hoffnungen vorbereitet. Als vor 4 Wochen die Formkurve steil nach oben zeigte, schien mir ein Angriff auf die 3-Stunden-Traummarke möglich zu sein, doch wenige Tage später ließen eine Erkältung und eine hartnäckige Infektion alle Träume jäh zerplatzen. 10 Tage Trainingsausfall waren nicht mehr zu kompensieren und so habe ich gestern schweren Herzens die Marschtabellen für 3:10:00 und 3:05:00 (so viel Optimismus muss sein) herausgesucht. Der Stachel sitzt tief und ich hadere noch immer mit meinem Schicksal. Punkt Neun gibt es vom Oberbürgermeister eins auf die Glocke ("Anglasen" nennt man das hier) und das riesige Feld setzt sich die Reeperbahn entlang in Bewegung. Dank der guten Ausgangsposition im Startblock C kann ich bereits nach wenigen Metern frei laufen. Mitten im Pulk eingeschlossen bekomme ich allerdings von den hier angebotenen Vergnügungen relativ wenig mit. Die erste Kilometermarke stoppe ich mit 4:24; na das passt ja schon ganz gut für eine Endzeit um 3:05:00. Einige Zuschauer tragen motivierende Transparente wie "Quäl Dich - Gekotzt wird erst im Ziel" - wirklich reizend. Da gefällt mir schon eher das "Weck den Haile in Dir". Ein Stündchen länger als beim Weltrekordhalter wird es bei mir aber schon dauern. Da die Strecke auf den ersten Kilometern leicht bergauf führt, gehe ich etwas vom Gas. Das Tempo fühlt sich gut an, aber es ist schon jetzt ganz schön warm. Kilometer 5, der erste Verpflegungspunkt. Wie üblich die bange Frage, ob ich bei der großen Anzahl an Läufern meine eigene Flasche finden werde. Doch es klappt wieder prima, schon von weitem sehe ich sie ganz vorne stehen. Kaum habe ich meine Flasche geleert, da ist der Hals schon wieder fürchterlich trocken. In den letzten Tagen gab es aber auch keinerlei Gelegenheit, sich an solche Temperaturen zu gewöhnen. An der nächsten Erfrischungsstelle schnappe ich mir einen Becher Wasser. Es schmeckt nach Schweiß und Sonnencreme. Ich sehne mich nach meiner Trinkflasche, doch die nächste gibt es erst bei Kilometer 10.
Runners High Die nächste Steigung holt mich in die Realität zurück. Kilometer 10 passiere ich in 43:37. Sogar noch etwas schneller als der Fahrplan zur 3:05:00. Es fehlt wirklich nicht viel, warum konnte ich nicht noch die letzten paar Wochen gesund bleiben? Nachdem mir vor einigen Tagen klar wurde, dass ich in Hamburg zwar antreten, aber die 3 Stunden abschreiben konnte, hatte ich deutliche Motivationsprobleme. Als ich vorgestern, gleich nach der Ankunft in Hamburg, zum ersten Mal die Blue-Line auf der Straße sah, war wenigstens das Kribbeln im Bauch dann doch wieder da. Ein weiteres Transparent: "Es ist nicht mehr weit". Wie bitte?!? Es sind noch mehr als 30 Kilometer! Witzbold ...
Sind wir nicht alle ein bisschen Borg?
Tunnelblick Die Strecke führt wunderschön an Binnen- und Außenalster entlang. Aber ich kann die Aussicht nicht wirklich genießen. Bereits jetzt merke ich, wie die Beine ganz langsam müde werden. Oh nein, bitte nicht so früh! Der letzte, lange Trainingslauf über 30 km liegt schon 4 Wochen zurück und ich hatte bereits ein großes Loch in der zweiten Hälfte befürchtet. Aber wenigstens bis Kilometer 30 hätte es doch reichen können.
Dänen man nicht vergibt Noch ist das Tempo ordentlich und ich passiere die Halbmarathonmarke in 1:32:03. Kilometer für Kilometer nähern sich die Zwischenzeiten aber 4:30/km, dem Tempo für eine Endzeit von 3:10:00. Nicht nur die Beine machen viel zu früh schlapp, auch mein Magen reagiert schon jetzt zunehmend empfindlich. Von Verpflegungspunkt zu Verpflegungspunkt bekomme ich immer weniger Getränk hinunter und reagiere zunehmend sensibel auf Geruchsbelästigungen. Für einem Freiluftsport kaum zu glauben, aber der Schweißgeruch des Vordermanns oder der Grillduft aus dem Vorgarten neben der Strecke schlagen mir zunehmend auf den Magen. Wann gibt es denn endlich ein Rauchverbot an der Marathonstrecke?
Wo laufen sie denn? Meine Kilometerzeiten werden immer schlechter. Der Puls ist für einen Marathon relativ niedrig, aber ich habe keine Kraft in den Beinen, um ein höheres Tempo zu gehen. Ständig bin ich nun mit mir selbst im Zwiegespräch. "Du schaffst das, Du kannst das!", treibe ich mich an. Die Hitze drückt. Ein paar Kinder haben einen privaten Erfrischungsstand eingerichtet und reichen mir einen Becher mit Wasser. Danke! Das tut gut!
Don't do it Die Stimmung an der Strecke ist wirklich der Hammer. Von wegen kühlem Norden, das Publikum muss sich auch vor den Berufsjecken der rheinischen Karnevalshochburgen in keinster Weise verstecken. Momentan bereiten mir die Zuschauermassen aber auch ein Problem: Seit mehr als einem halben Kilometer trage ich die Trinkflasche vom letzten Verpflegungspunkt mit mir herum, doch ich finde zwischen den Zuschauern keine Lücke, um sie zu entsorgen. Schließlich wird es mir zu blöd und ich werfe sie im hohen Bogen über die Zuschauer hinweg. Uups, den Verschluss hätte ich vorher ruhig zudrücken können ... Für den vorletzten Kilometer hält die Streckenführung eine allerliebste Gemeinheit bereit: Noch einmal ein kompletter Kilometer Steigung! Ich keuche und schnaube hinauf, nur noch den Gedanken an die Ziellinie im Kopf. "Vorwärts! Weiter!" Dann biege ich auf die lange Zielgerade ein. Nur noch ein halber Kilometer, dann ist es geschafft. Ein Blick auf die Uhr: Gerade 3:07; unter 3:10 sollte ich schaffen. Zwei endlose Minuten kämpfe ich mich dem Zielbogen entgegen. Nach 3:09:03 überquere ich die Ziellinie. Immerhin unter 3:10, daran wollte ich auf den letzten Kilometern schon nicht mehr glauben. Etwas wehmütig betrachte ich aber die erste Ziffer "3". Im Ziel orientiere ich mich zunächst vorsichtshalber in Richtung Absperrung, denn mein Magen droht ernsthaft mit Rebellion. Wie war das noch mal mit dem Transparent im Startbereich? Nach einer Minute Durchschnaufen hat sich der Magen etwas beruhigt, aber der Kreislauf fühlt sich immer noch sehr wackelig an.
Am Ziel Links: |