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R(h)eine Vorbereitung

10km Rhein-Volkslauf Maximiliansau 2006

Zwei Wochen vor meinem Start beim Düsseldorf-Marathon 2006 steht heute ein 10km-Testwettkampf auf dem Trainingsplan. Da bietet es sich natürlich an, schon einmal etwas Rheinluft zu schnuppern und so habe ich mich zum Rhein-Volkslauf in Maximiliansau eingefunden.

Treuen Lesern meiner Laufberichte ist bereits bekannt, dass ich nicht gerade zu den begeisterten Anhängern dieser Sprintdistanz unter den Ausdauerstrecken gehöre, aber nach Meinung der Experten scheint die elende Tempobolzerei in der Marathonvorbereitung notwendig zu sein. Also gut – wenn’s schnell macht...

Haste ’mal n’ Euro?
Obwohl in der lauen Frühlingsluft die Autobahnbaustellen überaus zahlreich aus der Straße schießen, bin ich frühzeitig am Start und habe ruckzuck meine Startnummer; alles ist bestens organisiert. Lediglich das Kleingeld in der Kasse scheint reichlich knapp bemessen: Als ich die zivilisierten 4 Euro Startgeld mit einer 5-Euronote begleiche, bekomme ich das letzte Eurostück ausgehändigt. Wenn sich nicht schnell Wechselgeld findet, werde ich wohl mit einer überschaubaren Konkurrenz rechnen können.

Am Start von 10km und Halbmarathon herrscht das übliche Getümmel. Neben mir steht eine Dame mit coolem Unterarm-Tattoo und dem Trikot eines französischen Vereins. Bei näherem Hinsehen stellt sich das Tattoo als Marschtabelle für eine 42:30 heraus, welche mit Kugelschreiber auf den Arm geschrieben ist. Das ist so die obere Grenze meiner eigenen, etwas diffusen Zeitvorstellung. Unter 41 Minuten wäre schon besser und unter 40 ganz prima. Neben uns schwadroniert ein Typ von vergangenen 45er-Bestzeiten – der hätte sich ruhig etwas weiter hinten aufstellen können.

Aus einem Lautsprecher wird der Countdown zum Start heruntergezählt, aus einem anderen schreit es „Halt, Halt!“ – ja was jetzt? Beim zweiten Versuch klappt es dann und schon sind wir auf der Strecke. Die Straße ist angenehm breit, bereits nach wenigen Metern kann ich relativ frei laufen. Nur nicht wieder zu schnell angehen!

Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Der erste Kilometer ist nach 3:59 passiert, na, wenn das keine Punktlandung ist. Auch der zweite läuft prächtig, sogar ein paar Sekündchen schneller. Ich schwelge in Hochrechnungen über grandiose Bestzeiten. Eine Wolke hat sich gnädig vor die Sonne geschoben und beschert uns einigermaßen erträgliche Temperaturen. Auch der dritte Kilometer ist nach weniger als 4 Minuten absolviert.

Kilometer 4, 4:03 – Uuups! Irgendwie war das Tempo doch ein wenig zu flott. Schon ziehen ein paar gerade überholte Läufer wieder an mir vorbei. Die Beine fühlen sich auf einmal überhaupt nicht mehr so gut an.

Noch ist nicht einmal die Hälfte geschafft, wann kommen denn endlich die ersten Läufer nach der Wendemarke in Sicht? Eine Läuferin federt mir mit demütigend lockerem Schritt entgegen. Hat sie die Wende schon passiert?!? Aber sie trägt keine Startnummer und hat sich offensichtlich nur auf die Strecke verirrt.

Dann kommt tatsächlich der Führende, mit unglaublichem Abstand vor den Verfolgern. Immer noch keine 5km-Marke zu sehen. Die Grüppchen der entgegenkommenden Läufer werden größer. Endlich erreiche ich die Wendemarke und bin nun auch auf dem Rückweg.

Nach sechs Kilometern ist es mit der Herrlichkeit endgültig vorbei. Obwohl ich immer mehr Einsatz bringen muss, pendeln sich die Kilometerzeiten um 4:06 ein. Ich Esel, wieder einmal überzockt. Das wird hart. Alles nur, weil so ein Schleifer von ehemaliger Marathon-Größe ein „Tune-Up-Race“ in diesen blödsinnigen Trainingsplan gepackt hat. Und jetzt geht es bei der Überquerung eines Rheindamms auch noch bergauf! In der Ausschreibung stand doch etwas von absolut flacher Strecke! Also so geht das nicht!

Der Damm bricht...
...endgültig meinen Willen zu einem sub40-Versuch. Es sind nur ganz kurze Anstiege über die Rheindämme, aber an jedem lasse ich ein paar Sekunden liegen. Jegliche Ambitionen sind in Laktat versunken, jetzt heißt es nur noch mit Anstand ins Ziel zu kommen.

Immerhin bin nicht allein, ein paar gescheiterte sub40-Läufer kann ich noch einsammeln. Einer davon trägt ein „Algerie“-Shirt und leistet erbitterten Widerstand, als er mich von hinten heranschnauben hört. Keine gute Idee von ihm, ich weiß aus leidvoller Erfahrung, wie es sich anfühlt, an der Kante zu laufen und dann Gas zu geben. Gleich wird ihn die Keule treffen. Eine halbe Minute später habe ich die Genugtuung, einen Mann vom Kontinent der Wunderläufer geschlagen zu haben. Oder zumindest einen, der nach einer solchen Herkunft aussieht und ein dazu passendes Shirt trägt.

Die Kilometer ziehen sich, inzwischen kann ich nicht mehr klar denken. Bin ich jetzt auf dem achten oder neunten Kilometer? Ich bekomme es nicht mehr auf die Reihe, das darf doch nicht wahr sein! Eine endlose Minute später erlöst mich das Schild mit der roten 9 aus den Zweifeln.

Walk (to) the line
Ein Walker mit martialischen Kniemanschetten und Nordic-Walking-Stöcken stochert in Richtung Ziel. Und ich dachte immer, Walking wäre so gelenkschonend. Die Joggerin ohne Startnummer von vorhin hole ich auch noch ein. Als ich sie passiere, feuert sie mich an und ruft etwas von „sieht noch gut aus“. Oh, das geht ’runter wie Öl! Gleich darauf kommen mir Zweifel: Vermutlich sehe ich einfach nur derart verzweifelt aus, dass eine solche Aufmunterung dringend notwendig erscheint. Ein kurzer Endspurt ist am Ende aber doch noch drin und nach 40:22 passiere ich endlich die Ziellinie.

Noch nie habe ich so viel Platz in der Umkleide gehabt. Das warme Wasser reichte allerdings wie üblich auch hier offensichtlich nur für zwei Fußballmannschaften. Dann mache ich mich über das Kuchenbüfett her. Zum Glück habe ich meine Portion gerade verzehrt, als mir gegenüber ein Läufer Platz nimmt, der offensichtlich gerade erst die Ziellinie überquert hat. Sein Laufshirt ist mit Salzrändern verkrustet und ich habe berechtigte Zweifel, dass es sich bei den Sabberspuren auf der Brust nur um die Rückstände isotonischer Getränke handelt. Nun sehen meine Laufutensilien auch nicht unbedingt appetitlicher aus, allerdings befinden sich diese längst in meiner Sporttasche und gären in der Plastiktüte für kontaminiertes Material vor sich hin. Immerhin verzichtet er in letzter Sekunde darauf, den zu Boden gefallenen Kaffeelöffel am Shirt abzuwischen und benutzt stattdessen dazu seine Laufjacke.

Nischt schlescht für ein’ "dizaine"
Bei der Siegerehrung wird auch meine französische Startnachbarin geehrt. Falls sie tatsächlich eine 42:30 geplant hatte, liegt sie mit 43:03 zwar ebenfalls knapp hinter ihrem Ziel, hat aber mit ihrem 3. Platz in der Gesamtwertung und einem souveränen Altersklassensieg schwer abgeräumt. Die Zeit ist nun wirklich nicht schlecht für einen Zehner. Chapeau Madame!

Trotz offensichtlicher Bemühungen um einen flotten Ablauf zieht sich die Siegerehrung in die Länge. 10km und Halbmarathon, jeweils Damen und Herren und wiederum jeweils mit allen Altersklassen; dazu noch Wertungen als Bezirksmeisterschaft, Mannschaftswertungen, Bezirksmeisterschafts-Mannschaftswertungen – es scheint kein Ende zu nehmen.

Von 5 auf 42
Durch eine lukrative Verlosung unter allen Startnummern, welche natürlich nach der Siegerehrung stattfindet, haben sich die Veranstalter trotzdem das Bleiben der meisten Teilnehmer gesichert. Neidisch sehe ich zu, wie Fahrrad, Tischgrill und die weiteren Tombola-Gewinne abgeräumt werden. Eine Ausnahme bildet allerdings die Verlosung eines Startplatzes für den Saarbrücken-Marathon. Niemand kann sich so richtig für eine spontane Marathonteilnahme in gerade einmal drei Wochen begeistern. Mehr als ein Dutzend Nummern wird gezogen, aber keiner will sich den Preis abholen. Für besonderen Unterhaltungswert sorgt dabei, dass immer wieder Nummern aus dem 5km-Einsteigerlauf gezogen werden...

Am Ende gewinne ich natürlich nichts, außer der Erfahrung, dass ich die 10km immer noch zu schnell angehe und man in Maximiliansau einen reibungslosen Wettkampf organisieren kann.




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