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Trau keinem unter 40

Krautheimer Stadtlauf 2005

So, heute ist es höchste Zeit, meine alte 10km-Bestmarke in den Krautheimer Boden zu stampfen. Das ist weniger ambitioniert als es klingt; stammt doch die aktuelle Bestzeit aus meinem allerersten 10er und das war vor über einem Jahr auf der Berg- und Talstrecke von Lichtenwald. Überhaupt ist dies erst mein dritter Start über diese Distanz und beim zweiten Versuch waren die Bestzeitträume in knöcheltiefem Schneematsch versunken.

Bereits aus der Tatsache, dass ich bisher ebenso viele Marathon- und mehr als die dreifache Anzahl Halbmarathonläufe absolviert habe, kann man erahnen, dass diese Strecke nicht wirklich zu meinen Lieblingsdistanzen gehört. Aber in der Marathonvorbereitung exerziere ich damit den Kampf mit dem inneren Schweinehund und außerdem hat das Herr Steffny so in den Trainingsplan geschrieben.

Die Startformalitäten sind schnell erledigt, überaus freundliche Helfer und Helferinnen beantworten alle Fragen. Insbesondere die Frage nach der Rundenzahl: Bereits auf der Ausschreibung machte die Strecke im Größenverhältnis zu den eingezeichneten Sportplätzen einen reichlich kurzen Eindruck und auf Nachfrage wurde mir bestätigt: die ist nur knapp 2 km lang und wird fünfmal plus ein Bonusstück gelaufen! Holla, da werde ich den Rundenzähler an der Stoppuhr wirklich nötig haben. Andererseits: Wann hat man schon einmal so kurz vor dem Start noch die Möglichkeit, die vollständige Strecke zu inspizieren?

Bereits im Vorfeld war Ironman-Sieger Normann Stadler als Teilnehmer angekündigt worden. Krautheim passe als Vorbereitungsrennen sehr gut in seine Planungen, hatte er nach einer Pressemitteilung verlautbaren lassen. Als es jetzt an den Start geht, sitzt unser Eisenmann allerdings in edlem Blech einer Zuffenhausener Sportwagenschmiede und chauffiert eine Art Pacecar. Seltsames Vorbereitungsrennen; ich sollte bei Herrn Steffny nachfragen, ob ich auch so einen Trainingsplan bekommen kann.

Der Startschuss kracht und schon stürmen wir eine leichte Steigung hinauf. Die ist eigentlich ganz erträglich und kurz darauf geht es bereits wieder ein sanftes Gefälle hinab. Das übersichtliche Feld (laut Veranstalter 200 Teilnehmer) hat sich auf der breiten Straße schnell sortiert, die Temperaturen sind angenehm kühl; optimale Bedingungen für eine saubere Bestzeit. Bis auf die fehlenden Kilometermarkierungen - so kann ich nach einer Runde nur grob abschätzen, dass ich klar auf sub40-Minuten-Kurs liege.

Schon zu Beginn der zweiten Runde macht sich tiefe Verzweiflung in mir breit, ein untrügliches Zeichen, dass ich das 10km-Wettkampftempo getroffen (oder auch etwas übertroffen) habe. Warum mache ich das nur? Elende Tempobolzerei anstatt filigraner Rennstrategie. Nie wieder 10km-Läufe - diese Unterdistanzen sind einfach nichts für mich!

Beim nächsten Durchlauf scheint sich die vormals sanfte Steigung irgendwie um ein paar Grad geneigt zu haben. Meine Verzweiflung ist inzwischen gewichen und hat blanker Panik Platz gemacht. Ich werde nie und nimmer ankommen! Was mache ich nur? Keine Luft, angesäuerte Beine und noch so viele Kilometer! Nie wieder 10km - ich bin einfach nicht für die Kurzstrecke geschaffen!

Der Läufer vor mir hat anscheinend mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Obwohl ich um Atem ringe, komme ich ihm langsam näher. Offensichtlich handelt es sich um einen der Lokalmatadoren, an jeder Straßenecke wird er von ein paar Bekannten persönlich angefeuert. Er läuft gnadenlos auf der Ideallinie und nimmt dabei wenig Rücksicht auf die inzwischen überrundeten Läufer. Nicht gerade die feine Art, aber dafür kann ich hinter seiner Bugwelle ziemlich frei durchlaufen. Der waghalsige Versuch, in der Kurve eine Rollstuhlfahrerin innen zu überholen, wird ihm allerdings beinahe zum Verhängnis. Schließlich ziehe ich an ihm vorbei.

Als es wieder durch das Zuschauerspalier im Startbereich geht, startet unser Lokalmatador vor den Augen seiner Schlachtenbummler einen trockenen Zwischenspurt und hat ruckzuck wieder 10 Meter Vorsprung. Kaum sind wir um die nächste Straßenecke gebogen, ist es mit der Herrlichkeit allerdings vorbei und ich lasse ihn endgültig hinter mir.

Hinter mir nähert sich dafür ein Läufer mit fürchterlichen Geräuschen. Ein grauenvolles Pfeifen begleitet jeden Atemzug. Es klingt, als hätte ihn der Startschuss irgendwo an der Lunge erwischt. Das hindert ihn allerdings nicht daran, ganz locker an mir vorbei zu ziehen. Der Typ ist mindestens eine Altersklasse älter als ich, was allerdings momentan ziemlich genau meinem gefühlten Alter entspricht. Nie wieder 10km-Wettkämpfe - ich bin einfach kein Sprintertyp.

Schließlich rette ich mich auf die letzte Runde und versuche so etwas wie einen Endspurt. Das wird sofort mit Seitenstichen honoriert - dabei war ich von so etwas in meinen bisherigen Wettkämpfen eigentlich verschont geblieben. Jetzt nur nicht die richtige Abzweigung ins Ziel verpassen und gar den überrundeten Läufern nachlaufen! Ein Stück vor mir biegt Mister Lungendurchschuss links ab und ich hetze ihm hinterher. Noch einmal heftiges Seitenstechen, aber die letzten paar Meter gehen leicht bergab und irgendwie trudle ich über die Ziellinie.

Als ich wieder etwas zu Atem gekommen bin, realisiere ich die Traumzeit von handgestoppten 38:38, die später offiziell zu 38:37 korrigiert werden und ein Glücksgefühl macht sich in mir breit. War wirklich eine tolle Sache und so ein 10er ist doch gar nicht so aufwendig, den könnte man eigentlich öfter machen und überhaupt, was geht mich denn mein Geschwätz von Kilometer 4 an. Trau keinem unter 40:00...

Die reichliche Zielverpflegung mit Äpfeln, Bananen und erfrischenden Wassermelonen ist für einen Lauf dieser Größenordnung toll. Dazu gibt es sogar noch ein T-Shirt - bei 6 Euronen Voranmeldegebühr kann man da wirklich nicht meckern. Gleich noch das T-Shirt von Normann Stadler (der wegen einer Verletzung nicht starten konnte) mit einem Autogramm verzieren lassen, alles in sehr freundlicher und gelöster Atmosphäre.

Dann warte ich auf die offiziellen Ergebnisse. Auf der Ausschreibung war bereits ein Termin von 13 Uhr für die Siegerehrung ausgeschrieben, bei einer Startzeit von 10 Uhr nicht gerade früh angesetzt. Doch auch zu diesem Termin passiert überhaupt nichts, nicht einmal Ergebnislisten sind zu finden. Die Schar der wartenden Wettkämpfer wird immer unruhiger; irgendwann ist dann von "Problemen mit dem PC" und "noch 10 Minuten" die Rede. Auch diese Frist ist längst verstrichen, als gegen 14 Uhr herausgerückt wird: Es hatte eine Panne bei der Zeitmessung gegeben! Irgendwie kann man die Einlauflisten wohl nicht mehr mit den gestoppten Zeiten in Übereinstimmung bekommen. Für mich ist das nicht weiter schlimm, ich war noch vor dem Malheur eingelaufen und die offizielle Zeit passt genau zu meiner eigenen Messung. Für viele, weitere Läuferinnen und Läufer ist das allerdings sehr ärgerlich und so hat die eigentlich sehr nette Veranstaltung einen etwas unschönen Ausklang.

Nachtrag:
Inzwischen habe ich Gerüchte gehört, dass die Strecke wohl nur 9850 Meter lang war. Skandal: Also immer noch keine neue 10km-Bestzeit! Immerhin: Unter 40:00 wäre ich trotzdem geblieben...




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