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Don't Hurry - Be Happy

Halbmarathon Köln 2006

Infotainment
Sonntag, 8.10.2006. Nur eine Haltestelle trennt uns noch vom Startbereich zum Kölner Halbmarathon. Die kompromisslos unverständlichen Infotafeln des öffentlichen Personennahverkehrs (falls überhaupt vorhanden) lassen diesen Kurztrip aber zum Abenteuer geraten. Dass selbst die einheimischen Fahrgäste damit überfordert zu sein scheinen, dämpft zumindest meine Besorgnis über die eigene Auffassungsgabe: "Ja, die Bahn fährt schon in diese Richtung, aber ob sie an der nächsten Haltestelle hält, kann ich nicht sagen". Immerhin ist die Dame freundlich und wünscht uns noch viel Glück. Ob sich diese guten Wünsche auf die bevorstehende Laufveranstaltung oder auf unsere Reisepläne beziehen, frage ich besser nicht.

Immerhin haben wir für den Veranstaltungstag einen Freifahrschein bekommen und können heute in dieser Hinsicht nichts falsch machen. Bei einem Treffen am Vorabend hatte sich herausgestellt, dass es praktisch niemandem gelungen war, das Tarifsystem zu entschlüsseln und einen korrekten Fahrschein zu lösen. Zumindest eine Teilstrecke als Schwarzfahrer hatte fast jeder auf dem Kerbholz.

Schilda
Im Startbereich angekommen, hat das Herumirren kein Ende. Nun kann man den Veranstaltern - im Gegensatz zum ÖPNV- den guten Willen zu einer brauchbaren Beschilderung durchaus nicht absprechen. Leider sind die Wegweiser aber in ca. 1 Meter Höhe angebracht und werden von den davor stehenden Personen ziemlich zuverlässig verdeckt.

7 kleine Läuferlein
Es hätte so schön werden können. Nachdem ich mich vor Monaten bereits zum Köln-Marathon angemeldet hatte, zogen 5 Kollegen beim Halbmarathon nach. Schließlich tauchte auch noch ein weiterer Kollege aus einer anderen Abteilung auf der Startliste auf. Alle 7 hatten wir ausnahmslos Ambitionen auf persönliche Bestzeiten.

Doch im Vorfeld schien ein Fluch auf dieser Veranstaltung zu lasten. Bei mir ging es bereits vor zwei Monaten los: Schmerzen im Unterschenkel, dreieinhalb Wochen Trainingspause und in den letzten drei Wochen nur ein vorsichtiges Minimalprogramm. Als endgültig klar war, dass ich selbst für einen langsamen Marathon nicht mehr fit werden würde, hatte ich schweren Herzens auf den Halbmarathon umgemeldet und mich meinen Kollegen als Pacer angeboten. Vor einer Woche war dann Patrick ausgefallen, Knieschmerzen machten einen Start unmöglich. Vorgestern hatte es schließlich Helmut mit einer heftigen Erkältung erwischt und er sich für die schwere, aber sicherlich vernünftige Absage entschieden.

Nun stehe ich mit Marco und Peter im Startblock, Christine einen Block weiter hinten. Alle drei bestreiten heute ihren zweiten Wettkampf, nachdem sie beim Stuttgart-Lauf im Juli im wahrsten Sinne des Wortes ihre "Feuertaufe" bestanden hatten. Unser einziger Marathon-Starter sitzt vermutlich noch beim Frühstück. Peter grübelt über die ursprünglich angepeilte Zielzeit von 2 Stunden, Marco hat bereits abgewinkt.

Die ersten Kilometer lassen wir uns mit dem dichten Starterfeld treiben, nehmen die Uhr erst einmal nicht allzu ernst und genießen auf der Rheinbrücke den tollen Blick auf die Stadt. Der Dom ragt eindrucksvoll heraus und bildet wirklich ein touristisches Highlight. Offensichtlich scheinen das aber nicht alle darum herum angesiedelten Souvenirshops realisiert zu haben, sonst wäre ich beim gestrigen Stadtbummel nicht so ungläubig vor dem Laden mit dem großen Aufmacher "Original Schwarzwälder Kuckucksuhren" gestanden.

Warm-up
Vor mir tauchen zwei Forum-Shirts auf, das müssen Doro und Tommi sein. Tommi ist auf einem ganz harten Trip, er wird heute im Anschluss an diesen Halbmarathon nach einer knappen Stunde Pause zum "richtigen" Marathon antreten. Das toppt dann doch die Leistung jener Teilnehmer, die ich bereits mehr als eine Stunde vor dem Start beim Warmlaufen beobachtet habe. Ich gebe den beiden ein paar gute Wünsche mit auf den Weg und geselle mich dann wieder zu meinen Kollegen.

Auf dem dritten Kilometer nehmen wir erstmals ein Tempo in Richtung Zielzeit 2 Stunden auf. Für Peter scheint die Geschwindigkeit ganz OK zu sein, Marco muss uns leider ziehen lassen. Wir kommen sehr gut ins Rollen und bald schon muss ich etwas bremsen. Schließlich ist noch ausreichend Zeit, um die beim Start verschenkten Sekunden wieder aufzuholen.

Etwas später erreichen wir ein Stück Wendestrecke. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite kommen uns die schnelleren Läufer bereits entgegen und passieren gerade das 5km-Schild. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass wir auch gleich dort sein müssten. Aber wo bleibt nur die Wendestelle? Anscheinend sind wir deutlich langsamer geworden. Na, ich bin ja ein toller Pacer, nicht einmal gleichmäßige Kilometer bekomme ich hin. Auch nachdem wir um die nächste Straßenecke gebogen sind, ist weit und breit keine Wende in Sicht. Also, so langsam können wir jetzt wirklich nicht sein - da stimmt doch 'was nicht! Endlich passieren wir Kilometer 6, und die Zwischenzeit macht auch irgendwie wieder Sinn. Die 5km-Marke stand wohl auf der falschen Straßenseite ...

Schauerei
Inzwischen sind wir selbst auf dem "Rückweg" der Wendestrecke und Marco kommt uns auf der anderen Seite entgegen. Pech für uns, dass er gerade eine Getränkestelle passiert hat: Mit einem "Platsch!" fliegt ein Becher Wasser herüber und verpasst uns eine Dusche. Na - solange der Bursche noch solchen Schabernack im Sinn hat, kann er eigentlich nicht am Limit laufen.

Obwohl ich immer wieder etwas bremse, ist unser Rückstand auf die Marschtabelle bei Kilometer 8 bereits vollständig hereingelaufen. Peter läuft locker und ich bin sehr optimistisch. Ich glaube, die 2 Stunden hat er wirklich drauf.

Das Tempo fühlt sich für mich selbst sehr angenehm an: locker, aber durchaus nicht quälend langsam. Mein lädiertes Bein ist nicht zu spüren und nach wochenlangem Herumlaborieren macht es einfach Spaß, wieder "richtig" und schmerzfrei zu laufen. Außerdem bekomme ich durch das gemäßigte Tempo viel mehr von Läuferfeld und Zuschauern mit. Es bleibt genügend Zeit, zum Abklatschen auch einmal zu den Kindern auf der anderen Straßenseite zu wechseln. Mir gelingen sogar ein paar Schnappschüsse mit der eingesteckten Kamera.

Was putzt Du?
Vor uns taucht eine als Putzfrau verkleidete Läuferin auf. Zum ausgelobten Preis für die beste Kostümierung wird es ihr wohl nicht reichen, aber immerhin gibt es der Veranstaltung einen Hauch von dem Karneval-Feeling, welches uns im Vorfeld versprochen wurde. Beim Halbmarathon ist davon leider noch nicht so viel zu spüren, weite Strecken sind nur spärlich mit Publikum besetzt.

Die Stimmung im Feld ist aber prima. Verkehrte Welt: Neben uns betätigt sich ein Läufer als Einpeitscher für die Zuschauer. Da sind wir doch autark: Im Zweifelsfall machen wir uns die Stimmung eben selber.

When The Going Gets Tough ...
Bei Kilometer 15 bekommt Peter doch noch einen kleinen Durchhänger. Er wird einsilbiger und erspart sich Kraft raubende Überholmanöver. Ich reduziere das Tempo einen Tick und er bleibt eisern neben mir. "Es könnte knapp werden ..." meine ich bei Kilometer 18 nach einem Blick auf die Marschtabelle "... mit der 1:58...". Die Kilometer-Splits bleiben immer noch im Soll und wir haben ein komfortables Zeitpolster, falls es beim Brückenanstieg auf dem letzten Kilometer noch Probleme geben sollte.

So langsam werden die Zuschauer zahlreicher und die Stimmung steigt. Wir bekommen eine leise Ahnung davon, wie es hier heute Nachmittag beim Marathon aussehen wird.

... The Tough Get Going
Auf dem letzten Kilometer müssen wir noch über die Deutzer Brücke. Das Ziel und die Wunschzeit vor Augen, verschärft Peter auf dem Anstieg das Tempo. 100 Metern vor dem Ziel reißt er sogar einen richtigen Spurt an und ich habe äußerste Mühe, ihm noch zu folgen. Obwohl ich mir längst vorgenommen habe, ihm im Ziel den Vortritt zu lassen, möchte ich doch wenigstens direkt hinter ihm einlaufen. Die abrupte Tempoverschärfung beschert mir beinahe noch einen Wadenkrampf, doch Sekunden später schießen wir glücklicherweise schon durchs Ziel.

Peter ist happy: 1:57:15. Mir selbst haben der Lauf und die ungewohnte Rolle großen Spaß gemacht und beim nächsten Mal bin ich hoffentlich wieder auf der vollen Distanz und mit vollem Einsatz dabei.




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