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Manche mögen’s heißStuttgarter Zeitung-Lauf 2006„Der Start wird sich um einige Minuten verzögern“ hallt die Lautsprecherstimme über den Startblock. Na prima! Diese Ankündigung sorgt nicht gerade für Erbauung im Feld der wartenden Läufer. Wir stehen dicht gedrängt und schwitzend in der Sonne, welche die Temperaturen Minute für Minute in die Höhe treibt und sehnen den Startschuss zum 13. Stuttgart-Lauf nun wirklich herbei. Dieser Halbmarathon ist für mich immer mit besonderen Erinnerungen verbunden, habe ich doch an dieser Stelle vor vier Jahren meinen ersten Wettkampf absolviert. Damals war ich dermaßen aufgeregt, dass ich beim Start gleich einmal vergessen hatte, meine Uhr zu starten. Genau genommen ist es schon etwas mehr als vier Jahre her, denn sonst lag der Termin für diesen Fixpunkt in meinem Laufkalender immer im Juni. Nun verspricht schon dieses Datum stets gute Chancen auf sommerliche Temperaturen, diesmal brachte die (durch die Fußball-WM bedingte) Verlegung in den Juli aber praktisch die Garantie für eine Hitzeschlacht. Und das nun auch noch im offensichtlich zweiten Jahrhundertsommer dieses Jahrzehnts ...
Auf de schwäbsche Eisebahne
Mir sin die wo schwitze wellet Endlich fällt der Startschuss. Eigentlich sollten die Startblöcke diesmal zeitlich versetzt gestartet werden, doch die Absperrbänder an den Startblöcken sind bereits entfernt und trotz der verzweifelten Bemühungen des Sprechers sind die einmal in Bewegung gesetzten Läufermassen nicht mehr aufzuhalten. Pünktlich zum Start schieben sich plötzlich Wolken vor die Sonne. Darüber ist nun wirklich niemand böse, schließlich ist es schon sehr warm und dazu drückend schwül. Wenigstens die schlimmste Glut bleibt uns nun (zumindest zunächst einmal) erspart. Auf dem ersten Kilometer geht es im gedrängten Feld noch nicht so richtig vorwärts. Egal - so werde ich zumindest heute nicht schon wieder gleich am Anfang überziehen. Die Zwischenzeit an Kilometertafel 1 nehme ich ohnehin nicht wirklich ernst, diese steht hier schon traditionell an der verkehrten Stelle.
Wild Wild South Zwei Damen am Streckenrand halten die Transparente „Net Aufgäba!“ und „Gas gäba!“ hoch. Auch die Anfeuerungsrufe haben überwiegend einen unverkennbar schwäbischen Einschlag. Und nicht nur für die Psyche der Läufer ist gesorgt, auch unser Kampf gegen die Hitze wird tatkräftig unterstützt. Immer wieder rieselt Wasser aus Gartenschläuchen auf die Straße. Während ich sonst die Duschen wegen des Aquaplanings in den Schuhen eher gemieden habe, gönne ich mir heute häufig eine Abkühlung. Auch das musikalische Rahmenprogramm entlang der Strecke hat erhebliche Fortschritte gemacht. Zwar haben Blaskapellen noch immer die Oberhand, bieten nun aber zumindest überwiegend ein recht flottes und modernes Repertoire. Dazu gesellen sich mehr und mehr der Samba-Bands, die von den großen Laufveranstaltungen nicht mehr wegzudenken sind. Völlig verzückt bleibt ein Läufer vor mir stehen und liefert einen wilden Tanz zu den heißen Rhythmen ab. Ich selbst finde die Stimmung hier auch klasse, belasse es dann aber doch bei einem kurzen Winken und Anfeuern. Ziemlich genau zur Halbzeit führt uns die Strecke in einem Bogen auf der gegenüberliegenden Neckarseite wieder zurück. Meine Zwischenzeiten deuten auf eine Zeit unter 1:35 hin und ich fühle mich prima.
Don’t loose my number Anscheinend habe nicht nur ich dieses Problem, auch im weiteren Läuferfeld nestelt immer wieder jemand an seiner Nummer herum. Das sieht mir doch schon sehr nach einem Materialproblem aus. Nun ist man hier im Ländle bekanntermaßen der übermäßigen Verschwendungssucht mindestens ebenso unverdächtig wie des korrekten Gebrauchs der hochdeutschen Sprache. Welches Einsparpotenzial man aber offensichtlich sogar beim Material der Startnummern nutzen kann, sollte selbst ausgefuchste Unternehmensberater noch in Erstaunen versetzen können. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass die Atmosphäre heute viel entspannter ist, als sonst in diesem Teil des Feldes üblich. Vermutlich bin ich nicht der Einzige, der bereits im Vorfeld alle Bestzeitambitionen aufgegeben hat und den Lauf einfach nur genießen will. Während sonst gerade auf dem letzten Streckendrittel verbissen um Sekunden gefightet wird, nimmt man heute an den Getränkestellen deutlich mehr Rücksicht und läuft bei Überholmanövern den Bogen auch einmal etwas weiter. Als wir einen Läufer passieren, der eine Gehpause einlegen muss, hält ein anderer sogar an, um ihm einen Schluck aus seiner Wasserflasche zu spendieren. Auch die Zuschauer bemühen sich weiterhin großartig um Erfrischung für uns Läufer. Weitab der offiziellen Stände reicht mir ein Junge einen Wasserschwamm – Vielen Dank!. Ein Stück weiter stehen ein paar Kinder und sorgen mit großkalibrigen Wasserpistolen und noch größerem Vergnügen für weitere Abkühlung. Die Abkühlung ist auch bitter nötig, denn die Sonne knallt nun durch die immer größer werdenden Wolkenlücken erbarmungslos herab. Wann immer ein paar Bäume am Straßenrand stehen, wechselt das Feld von der Ideallinie auf die Schattenseite. Und die Strecke hält gerade auf den letzten Kilometern noch ein paar kleine Gemeinheiten bereit. Der gesamte Halbmarathonkurs hat zwar prinzipiell ein flaches, aber doch durchaus unruhiges Profil. Wer hier an der Kante läuft und nicht ständig aufpasst, hat ruckzuck an einer kurzen Steigung überzogen - oder aber auch auf einem Abschnitt mit Gefälle ein paar Sekunden verbummelt. Besonders hinterhältig ist eine Unterführung in Zielnähe, bei der man zunächst mit etwas Gefälle in den kühlen Schatten gelangt, den sanft beginnenden Anstieg nicht sofort spürt und dann plötzlich in der prallen Sonne so richtig bergauf läuft. Wer hier bereits den Endspurt angezogen hat, den trifft es wie ein Keulenschlag.
Stuttgart ist viel schöner ... Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als ich in den dunklen Tunnel des Marathontors eintauche, mir die Stimme des Stadionsprechers entgegenhallt und am Ende des Tunnels die ersten Tribünenplätze erscheinen. Der Schauer mündet in eine Gänsehaut, als sich der Tunnel öffnet und den Blick auf den Innenraum freigibt. Rund um mich herum ragen die gewaltigen Tribünen in den Himmel und die Haupttribüne ist gar nicht einmal schlecht besetzt. Nach 21 Kilometern knallhartem Asphalt fühlt sich die weiche Kunststoffbahn unter den Füßen einfach wunderbar an. Ich habe das Gefühl, darauf mühelos noch ein paar Runden weiterlaufen zu können. Bereits nach 100 Metern passiere ich aber das Ziel. Die Uhr bleibt nach 1:33:47 stehen - nicht übel für diese Temperaturen. Links: |