Impressum/Kontakt
Home Laufberichte Lauftagebuch Laufstrecken Tipps&Tools Bücher Links  
 

Reif für die Insel

13. Internationaler Insel Halbmarathon Reichenau 2005

Der Sommer ist zurück und der Berlin-Marathon steht vor der Tür: Was liegt also näher, als das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. In meinem Fall ein Wochenende am Bodensee mit einem Vorbereitungswettkampf, dem Halbmarathon auf Reichenau.

Auf der Suche nach dem Start finde ich einen Aushang mit Auszügen des Vermessungsprotokolls. Sehr vorbildlich, bedenkt man meine noch frischen Erinnerungen an den Krautheimer Stadtlauf, bei dem sich meine nagelneue 10km-Bestzeit nachträglich als 9,85km-Bestzeit entpuppte.

Die 10-Kilometer-Läufer starten zuerst und absolvieren zunächst einmal 2 Stadionrunden. Unter ihnen müsste sich auch Amir, ein Mitglied des Berlin-Marathon-Forums, herumtreiben. Ich habe ihn zwar noch nie getroffen, mir aber seine Startnummer herausgesucht. Nach der ersten Runde ist das Feld etwas entzerrt und ich sehe die 27. "Amir!" - er hat mich gehört und winkt zurück.

Die Topläufer bekommen schnell Probleme, müssen sie sich doch auf der zweiten Runde bereits durch das Feld der langsameren Läufer hindurchwursteln, bis sie schließlich auf die Straße kommen.

Endlich sind wir Halbmarathonis an der Reihe. Der Startschuss kracht und schickt uns auf die Strecke, d. h zunächst ebenfalls auf eine Stadionrunde. Während meiner ganzen, gut dreieinhalbjährigen Laufkarriere bin ich noch keinen Meter auf einer Bahn gelaufen; eigentlich kein übles Laufgefühl. Wir laufen hier nur eine Runde und haben dann drei 7km-Schleifen um Reichenau zu absolvieren.

Schon geht es hinaus auf die Strecke. Das Feld hat sich bald sortiert. Einer meiner Vorderleute macht sich durch besondere Rücksichtslosigkeit unbeliebt und tritt gleich einmal seinem Vordermann in die Hacken. Diesen Rambo werde ich nur in weitem Bogen überholen. Falls ich ihn überhaupt überhole, derzeit läuft er in etwa mein Tempo und räumt vor mir gnadenlos die Ideallinie frei.

Meine Befürchtungen bezüglich der Kilometerbeschilderung bei einem Lauf mit mehreren Runden und zusätzlichem 10er wandeln sich bald in Anerkennung: Eine ganze Galerie von Kilometermarken zeigt vorbildlich die genauen Entfernungen an, zwecks Übersichtlichkeit zusätzlich mit Rundennummern versehen.

Die ersten beiden Kilometer sind erstaunlich schnell und fühlen sich trotz einiger Steigungen ganz erträglich an. Dann werde ich allerdings spürbar langsamer und die nächsten Zwischenzeiten holen mich auf den Boden der Tatsachen zurück.

Auf der Strecke gibt es einen Erfrischungsstand mit Wasser und - für einen Halbmarathon eher unüblich - sogar Iso-Getränk. Allerdings werden die Becher nicht gereicht sondern nur auf einen Tisch gestellt. Nachdem der Becher von einem Augenblick auf den anderen von 0 auf Lauftempo beschleunigt wurde, sind höchstens noch drei Schluck Wasser im Gefäß.

Unser Rambo-Runner ist immer noch vor mir und befördert gerade mit einem harten Tackling eine 10km-Läuferin zur Seite. Der Kerl ist wirklich gemeingefährlich.

Die Strecke führt in einer Schleife fast um die gesamte Insel, lediglich der Westzipfel bleibt den 10-Kilometer-Läufern vorbehalten. Die letzten Kilometer der Runde verlaufen durch Wohngebiete, hier gibt es etwas mehr Publikum. Ein Typ von Feuerwehr oder THW - so genau kann ich das Lametta auf der Uniform nicht erkennen - steht an einer gesperrten Straße und applaudiert mit enormer Ausdauer. Mein dankbares Nicken scheint ihn zusätzlich anzuspornen.

Nach 7 Kilometern geht es wieder über den Sportplatz mit Start und Ziel. Als ich Amir erkenne und zuwinke, rennt er plötzlich los, läuft in meiner Geschwindigkeit neben mir her und reicht mir einen Becher Wasser. Welch ein unerwarteter Service, da zeigt sich der erfahrenen Läufer: Diesmal geht kaum ein Tropfen daneben - Vielen Dank!

Auf der zweiten Runde fühlen sich die Steigungen schon deutlich hässlicher an, wer hat denn die schon wieder aufgeschüttet? Prinzipiell geht es mir noch ganz ordentlich, aber es gibt doch den einen oder anderen Abschnitt, an dem ich ein paar Sekunden liegen lasse.

Mein Feuerwehr-THW-Sonstwas-Mann ist immer noch unermüdlich am Klatschen - Einfach Spitze! Welch schöner Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen von den Rettungskräften, welche gemütlich auf Klappstühlen herumlungern und den Läufern eher gelangweilt zusehen

Beim nächsten Stadiondurchlauf bietet mir Amir sogar Wasser und Iso zur Auswahl - also das Catering ist heute erste Sahne. Dann geht es auch schon auf die letzte Runde.

Meine Beine sind inzwischen sehr müde, aber eigentlich darf ich jetzt wirklich nicht nachlassen. Das Polster auf die alte Bestzeit ist stark geschmolzen und auch die 1:30 ist noch nicht so ganz in trockenen Tüchern. Ein Betreuer ruft meinem Hintermann ein paar aufmunternde Worte zu. "Boah - es ist jetzt wirklich schwer!" stöhnt dieser zurück. "Bleib an der Gruppe dran", folgt der gute Rat.

Der Gedanke, dass nicht nur ich jetzt kämpfen muss, tröstet mich ein wenig. Tatsächlich hat sich gerade ein loses Grüppchen von 4-5 Läufern formiert und ich versuche ebenfalls, dem Tempo unseres Führungsläufers zu folgen. "Die anderen sind auch alle am Beißen" sage ich mir, "geh' mit!". Für einen knappen Kilometer bleiben wir zusammen, dann reißen ein paar kurze Steigungen unsere Gruppe auseinander.

In mir tobt ein heftiger Kampf zwischen Schweinehund und Ehrgeiz: Ich könnte jetzt einen Tick herunterschalten und würde mit einer sehr anständigen Zeit, möglicherweise um die 1:30, vergleichsweise komfortabel ins Ziel laufen. Andererseits liege ich noch auf Bestzeitkurs, so eine Gelegenheit darf ich doch nicht verschenken.

Bei Kilometer 18 habe ich gerade noch 4 Sekunden Vorsprung auf die Bestzeit-Marschtabelle. Oh Mann, wird das eng! Weiterlaufen, Druck machen, Weiterlaufen, Druck machen - es ist jetzt ganz schön hart. Ein dicker Geländewagen, SUV oder WasweisichwasfüreinKlotz steht mitten auf der Ideallinie. Wehe, wenn mich das Umkurven die entscheidende Sekunde gekostet hat!

Der letzte Kilometer. Endspurt, gib alles! Ein paar hundert Meter können unendlich lang sein. Schließlich sehe ich den Sportplatz. Die Ecke zum Eingang war schon auf den letzten 2 Runden ziemlich eng, im Endspurttempo ist sie wirklich gefährlich. Die letzten Meter auf dem Sportplatz sind dafür wie Fliegen. Ziel! Geschafft! Und das in 1:28:28 - neue persönliche Bestzeit!

Nach dem obligatorischen Veitstanz unter der Dusche, in der es wie üblich nur noch kaltes Wasser gibt, folgt das Warten auf die offiziellen Ergebnisse und die Siegerehrung. Auf Reichenau kann man zwar keinen Blumentopf gewinnen, dafür aber Gemüsekisten. Für Streckenrekorde wird man sogar mit Gemüse aufgewogen - bei den typischen Läuferstaturen ein überschaubares Risiko für den Veranstalter.

Siegerehrung für alle 10km-Altersklassen, Verlosung von Gemüsekörben, Ehrung von Ehrenmitgliedern, wieder eine Pause - so langsam zieht sich die Veranstaltung schwer in die Länge. Als ich etwas von Computerproblemen höre, werden schon wieder böse Erinnerungen an meinen letzten Wettkampf wach. Am Ende gibt es dann aber doch noch die vollständigen Ergebnisse, wenn auch teilweise auf handretuschierten Listen.

Der Diskjockey spielt "Bad day" über die Lautsprecheranlage. Nix da - der Tag war klasse!




Links: